Mund- und Gesichtsschmerzen
Schmerzen im Mundhöhlenbereich
Schleimhautentzündungen verursachen oftmals akute Schmerzen. Sie werden von oberflächlichen oder tiefen Zahnfleischentzündungen, Entzündungen beim Durchbruch der Weisheitszähne sowie bakteriell oder durch Viren verursachten Erkrankungen des Zahnfleischs hervorgerufen.
Auch Zähne können schmerzen: Sie reagieren empfindlich auf Temperatur- oder chemische Reize wie beispielsweise Säure, wenn durch einen kariösen Defekt das Dentin oder bei freiliegenden Zahnhälsen das Wurzelzement freiliegt. Der Zusammenhang dafür ist, dass Fortsätze von Dentin-Bildenden Zellen sich in Kanälen befinden, die das Dentin durchziehen und mit Nervenfasern in Verbindung stehen, die Schmerzreize weiterleiten. Wenn diese durch äußere Einflüsse wie beispielsweise Kälte gereizt werden, können Schmerzen verursacht werden. Um besser verstehen zu können, warum die Ursache einiger seltener vorkommender Schmerzen im Bereich der Mundhöhle aus zahnärztlicher Sicht teilweise nur schwer erkannt werden könnte, sollen zunächst die häufigsten und typischen Schmerzursachen betrachtet werden:
Zahnmarkentzündung (Pulpitis)
Häufig werden Schmerzen durch eine Entzündung im Bereich des Nerven- und Gefässgeflechts verursacht, das als Zahnmark (Pulpa) bezeichnet wird. Die häufigste Ursache dafür ist eine Reizung durch eine nah an das Zahnmark heranreichende Karies (bakterielle Pulpitis). Auch Pulpa-nahes Beschleifen eines Zahns beim Legen einer Füllung oder bei der Vorbereitung des Zahns für eine Krone, kann zu einer solchen Reizung führen. In einigen Fällen beginnt der entzündlicher Prozess nicht durch eine Schädigung der Zahnhartsubstanz, sondern wird durch eine Stauchung des Zahns ausgelöst – etwa bei zu hohen Füllungen oder durch Zähneknirschen – und Pressen (Entzündung des Zahnmarks ohne Bakterien oder andere Erreger = abakterielle Pulpitis).
Schmerzen werden häufig durch eine Entzündung im Bereich der Pulpa hervorgerufen. Jeder, der bereits eine Zahnmarkentzündung hatte, wird sich an den intensiven und ausstrahlenden Schmerz erinnern können: ein Drücken, Klopfen und Pulsieren, das auch nachts auftritt. Auch ein Aufbissschmerz ist typisch. Anfangs ist der Schmerz möglicherweise nicht genau an einem Zahn, manchmal auch nicht einmal einem Kiefer zuzuordnen. Der zahnbezogene Entzündungsschmerz fällt besonders dadurch auf, dass der Entzündungsherd von nicht-dehnbaren Strukturen (Knochen, Zahn) umgeben ist. Da der Zahn aufgrund der Entzündung verstärkt durchblutet wird, die Entzündungssäfte sich aber nicht auf das angrenzende Gewebe ausdehnen können, entsteht im Zahn ein Druck, der den Schmerz zusätzlich verstärkt.
Entzündung an der Wurzelspitze (apikale Parodontitis )
Wenn der Zahnarzt die Ursache für die Pulpitis entfernt, bildet sich die Entzündung zurück (umkehrbare = reversible Zahnmarkentzündung) oder sie hält an und der Nerv stirbt ab (nicht umkehrbare = irreversible Zahnmarkentzündung). Verläuft die Entzündung langsam, kann der Nerv auch nahezu schmerzfrei und dadurch unbemerkt absterben. Später bildet sich dann jedoch häufig ein Entzündungsherd im Knochen an der Wurzelspitze (= apikale Parodontitis). Zur Behandlung davon (Wurzelkanalbehandlung) wird der Kanal eröffnet, in welchem sich Blutgefäße und Nerven befinden und Reste des Nerven bzw. der Blutgefäße werden entfernt. Der Hohlraum wird gründlich desinfiziert, erweitert und mit einer Füllung (Wurzelkanalfüllung) verschlossen, damit keine Bakterien eindringen können. Dies ist wichtig, da aufgrund zurückgebliebener Bakterien sich an der Wurzelspitze ein neuer Entzündungsherd bilden kann, der wiederum Schmerzen verursacht.
Verbliebene Bakterien können eine erneute Entzündung hervorrufen, welche wiederum Schmerzen auslöst.
Ungewöhnlicher Zahnschmerz
Die Beschwerden wie die Zahnmarkentzündung an der Wurzelspitze verursacht die eher selten auftretende sogenannte atypische Odontalgie (Phantom-Zahnschmerz). Der Patient empfindet diesen kontinuierlichen Nervenschmerz häufig an einem Zahn oder in einem Bereich, wo ein Zahn gezogen wurde (Extraktionsareal). Der Zahnarzt findet aber bei der Untersuchung und in Röntgenbildern kein möglicher Auslöser. Oftmals verstärkt sich der Schmerz bei kaltem Wetter.
Indem ein Schmerz durch eine Pulpitis oft schnell beseitigt werden kann, ist bei einem Nervenschmerz (atypische Odontalgie) eine ausführliche Diagnostik wichtig.
Eine weitere Wurzelbehandlung oder das Entfernen eines Zahnes wird den Nervenschmerz nicht bessern – sogar eine Verschlechterung ist möglich. Doch das erfordert ein hohes Maß an Geduld für den Patienten im eigenen Interesse. Die interdisziplinäre Behandlung der atypischen Odontalgie ist ähnlich wie die des atypischen Gesichtsschmerzes.
Syndrom der brennenden Zunge/des brennenden Mundes (Burning-Mouth-Syndrom)
Unter den brennenden Schmerzen im Bereich des Mundes und der Zunge leiden besonders Frauen im höheren Lebensalter. Die Ursache der Erkrankung ist schließlich nicht völlig bewissen und liegt allenfalls in einer Schädigung dünner Nervenfasern, die die Zunge und den Mundbereich versorgen. Der Leidensdruck ist sehr hoch. Vitaminmangel und Veränderungen der Schleimhaut als Ursache sollten ausgeschlossen und womöglich behandelt werden. Die Therapie des Zungenbrennens ist öfters schwierig.
Typischer und atypischer Gesichtsschmerz
Der „typische Gesichtsschmerz“ fühlt sich wie ein blitzartiger elektrisierender Stromschlag. Dagegen ist der atypische Gesichtsschmerz dumpf in der Tiefe und ist dauerhaft vorhanden.
Trigeminusneuralgie
Bei einer Trigeminusneuralgie kommt es zu plötzlich, Sekunden anhaltenden, elektrisierenden Schmerzen in Ästen des Nervus trigeminus (Gesichtsnerv mit drei Endästen). Solche Attacken können spontan auftreten oder beim Kauen, Sprechen oder Zähneputzen ausgelöst werden. Es reicht auch bereits kalter Wind. Meistens lässt sich keine Ursache der Erkrankung feststellen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die meisten Erkrankten sind im höheren Lebensalter, die Krankheit kann aber auch bei Kindern und jungen Erwachsenen auftreten.
Dann ist es jedoch wichtig, mit einer Kernspintomografie des Kopfes und einer neurologischen Untersuchung andere Ursachen einer Trigeminusneuralgie auszuschließen, beispielsweise eine Entzündung des Nerven im Austrittsbereich aus dem Hirnstamm, wie sie bei einer Multiplen Sklerose vorkommen kann.
Eine Trigeminusneuralgie tritt häufiger im Winter als im Sommer auf und kann sich auch mehrmals wiederholen und wieder verschwinden. Häufigster Grund ist ein im Bereich des Hirnstamms Gefäß, das durch die sich ständig wiederholende Pulswelle des Blutstroms den Trigeminusnerv beim Austritt aus dem Hirnstamm reizt und schädigt (neurovaskuläre Kompression = Druckschädigung des Nerven durch den Gefäß-Nerven-Kontakt).
Eine Entzündung im Bereich einer Zahnwurzel kann zu ähnlich elektrisierenden Schmerzen führen wie bei einer Trigeminusneuralgie. Deshalb sollte man einen zahnärztlichen untersuch und Röntgenaufnahme der Zähne machen lassen.
Eine Trigeminusneuralgie wird in erster Linie mit Medikamenten, sogenannten Antikonvulsiva, behandelt.
Diese, zur Behandlung der Epilepsie eingesetzten Arzneimittel vermindern die Nervenaktivität und „beruhigen“ so den Schmerz. Auch einige weitere Arzneimittel können erfolgreich eingesetzt werden.
Operationsverfahren bei Trigeminusneuralgie:
- Operation nach Jannetta: Im Bereich des Gefäß-Nerven-Austritts aus dem Hirnstamm wird ein Teflonpolster zwischen Gefäß und Nerv eingelegt, um den Nerven zu schützen. Dieser Eingriff hat eine sehr gute Ansprechrate. Der Effekt tritt direkt nach der Operation ein.
- Thermokoagulation (Erhitzung) oder Ballonkompression im Bereich des Nervenknotens (Ganglion trigeminale): Auch diese Verfahren ist wirksam. Mehrmals kommen die Beschwerden nach einigen Jahren aber wieder. Der Effekt tritt direkt nach der Operation ein.
- Gammaknifebehandlung (Bestrahlung) des Nerven: Durch diese Behandlung wird häufig erst nach einigen Monaten ein Effekt erreicht, es ist jedoch keine Operation notwendig.
Alle Eingriffe haben gewisse Risiken (z.B. Entstehung einer Taubheit im Gesicht) und die Erfolgsaussichten hängen sehr von der Erfahrung des Operateurs ab.
Atypischer Gesichtsschmerz
Ein Gesichtsschmerz, der nicht dem Nervenschmerz zugeordnet werden kann, wird als „atypisch“ bezeichnet. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft wird als „idiopathischer Gesichtsschmerz“ bezeichnet. Das Wort „idiopathisch“ bedeutet, dass die Ursache nicht bekannt ist.
Die Schmerzen werden häufig im Gesicht im Bereich des Oberkiefers oder unterhalb des Auges auftreten. Typisch ist, dass sie sich oft nicht genau zuordnen lassen. Es handelt sich meist um einen dumpfen, drückenden und in der Tiefe nicht genau beschränkter Schmerz. Da der Schmerz in der Tiefe und dumpf lokalisiert ist, suchen die Betroffenen, häufig Hals-Nasen-Ohren- und Zahnärzte auf. Nicht selten werden Zähne gezogen (Zahnextraktionen), zahnärztliche Restaurationsarbeiten oder HNO-ärztliche Eingriffen an den Nasennebenhöhlen durchgeführt.
In der Regel verschwinden die Schmerzen jedoch aber nicht. Unter der irrtümlichen Annahme, dass sich eine Ursache der Beschwerden aufdecken und behandeln ließe, werden solche Behandlungen dann oftmals erfolglos wiederholt. Tatsächlich ist es jedoch so, dass in dieser Situation jeder weitere Eingriff zur Chronifizierung des Schmerzbildes und zur Ausbreitung der Beschwerden beitragen kann.
Eine psychotherapeutische Mitbehandlung kann hier wichtig sein. Frustration über erfolglose Ursachensuche und fehlgeschlagene Behandlungen, die mit Schmerzen und Kosten einhergehen, führen häufig dazu, dass die Patienten ratlos, mutlos oder depressiv verstimmt werden. Psychische Begleitbeeinträchtigungen wie Depressionen und Angststörungen sind beim atypischen Gesichtsschmerz genauso häufig anzutreffen wie bei anderen Schmerzerkrankungen.
Damit die Erkrankung nicht chronisch wird, sollten möglichst keine weiteren operativen Eingriffe durchgeführt werden. Sinnvoll ist die Kombination aus medikamentöser Therapie, Entspannungsverfahren (z.B. progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) und Ausdauersport sowie eine gezielte psychotherapeutische Mitbetreuung bei hohen psychosozialen Belastungen.
Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
Bei der craniomandibulären Dysfunktion (auch als Myoarthropathie bezeichnet) sind das Kiefergelenk oder die Kaumuskulatur betroffen, insbesondere der Masseter-Muskel (gut tastbar beim Zubeißen und Entspannen am Kieferwinkel schräg unter dem Ohrläppchen) und der Schläfenmuskel.
Das Kiefergelenk besteht aus Ober- und Unterkiefer sowie einem dazwischen liegenden Knorpelscheibchen, auf dem der Gelenkanteil des Unterkiefers bei Unterkieferbewegungen entlanggleitet. Veränderungen des Knorpelscheibchens führen zu Knackgeräuschen des Unterkiefers, die jedoch häufig nicht schmerzhaft sind und nicht behandelt werden müssen. Schmerzen können durch Verschleiß oder entzündliche Veränderungen des Kiefergelenks verursacht werden, andererseits durch Verspannungen der Kaumuskulatur, z.B. durch Zähnepressen oder -knirschen, was meistens stressbedingt ist. Es kann auch zu ausstrahlenden Schmerzen in andere Gesichtsbereiche und die Zähne führen. Am häufigsten ist dieser Kopfschmerz am Morgen am stärksten ausgeprägt (da das Knirschen am meisten in der Nacht geschieht).
Ursachen der Schmerzen bei CMD sind Veränderungen des Kiefergelenks oder der Kaumuskulatur.
Als Therapie wird eine Aufbissschiene empfohlen, die das Gelenk entlastet und über eine Änderung der Position der Strukturen beim Zubeißen bzw. in der Ruheposition die erlernten Bewegungsmuster (Zähneknirschen und -pressen) entkoppeln soll. Auch Physiotherapie (Krankengymnastik) bewirkt bei muskulären Beschwerden eine Besserung, ebenso wie Eigenmassage der Kaumuskulatur durch den Patienten. Empfehlung sind auch das Erlernen der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson sowie ein bewusster Umgang mit Stress. Bei besonderen Belastungsfaktoren ist ggf. auch eine psychotherapeutische Betreuung, sinnvoll. Zusätzlich können vom Arzt trizyklische Antidepressiva in niedriger Dosierung verordnet werden, die als Nebeneffekt etwas entspannen, aber auch müde machen.
Mund- und Gesichtsschmerz bei Kopfschmerzerkrankungen am Beispiel der Migräne
Bei einem Migräneanfall können die Schmerzen auch das Gesicht erfassen, insbesondere den Bereich von Stirn und Augen. Migräneschmerzen sind meistens von pulsierend-stechendem Schmerzcharakter und intensiv ausgeprägt. Begleitet werden sie von Übelkeit, manchmal auch Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie dem Bedürfnis, sich zurückzuziehen und auszuruhen.
Strahlen diese Schmerzen in das Gesicht fort, stellen sich viele Patienten irrtümlich zur weiteren Diagnostik bei einem Hals-Nasen-Ohren- oder Augenarzt vor.
Der Untersuchungsbefund einer Migräne ist eine körperliche, klinisch neurologische Untersuchung sinnvoll, die vor allem dem Ziel dient, andere Erkrankungen nicht zu übersehen. Nur wenn Anzeichen für andere Erkrankungen vorliegen, sind bildgebende Verfahren (Computertomografie oder Kernspintomografie des Schädels) oder weitere Untersuchungen notwendig.
Für Patienten mit Migräneerkrankung kann auch eine routinemäßige zahnärztliche Behandlung durch grelles Licht und laute Geräusche zur einen Tortur werden. Dann empfiehlt sich das Tragen einer Augenmaske und zum Absaugen von Flüssigkeiten in der Mundhöhle die Verwendung eines kleinen Absaugers, der weniger Lärm bewirkt. Manchen Patienten kann mitgebrachte Musik helfen, die über Kopfhörer gehört wird.